So

05

Aug

2012

Fiskalvertrag und Kommunalfinanzen

Um sich für ihr Prestigeprojekt, den Fiskalvertrag , eine verfassungsändernde Mehrheit im Bundesrat zu sichern, hat der Bund den Ländern eine Reihe von Maßnahmen in Aussicht gestellt. Diese betreffen explizit die Kommunen und ihre finanzielle Situation. Denn die Län-der verpflichten sich in ihrer Einigung mit dem Bund dazu, die Verantwortung für die Einbe-ziehung ihrer Kommunen in den Fiskalvertrag zu übernehmen.
Von den folgenden Verhandlungsergebnissen zwischen Bund und Ländern sind die Kommu-nen betroffen:

1. Übernahme der Sanktionszahlungen an die EU durch den Bund: Der Bund wird bis 2019
Sanktionszahlungen an die EU übernehmen, die anfallen wenn das gesamtstaatliche Defizit über den im Fiskalvertrag vereinbarten Werten liegt. Ab 2019 greift wieder die bisher gel-tende Regelung des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetzes (SZAG), bei dem der Bund 65 Prozent und die Länder 35 Prozent der Sanktionszahlungen übernehmen. Unklar ist, ob die Länder in Zukunft die Kommunen an diesen Strafzahlungen beteiligen. Die Länder dürfen ab 2019 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, haben sich aber gleichzeitig verpflichtet die Verantwortung für ihre Kommunen zu übernehmen.

2. Finanzierung der Eingliederungskosten für Menschen mit Behinderung: Der Bund hat zu-gesagt, sich an diesen Kosten zu beteiligen. Die Länder fordern die Übernahme der Ge-samtkosten durch den Bund. Über das hierfür notwendige Leistungsgesetz, das Umfang, Dauer und Verteilung der Mittel regelt, wird allerdings erst in der kommenden Legislaturperi-ode verhandelt.

 

3. Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Zur weiteren Entlastung der Kommunen wird der Bund nicht mehr das Vorvorjahr der Erstattung der Kosten zugrun-delegen, sondern jeweils die aktuellen Nettoausgaben des laufenden Kalenderjahres erstat-ten.

4. Zusätzliche Mittel für Betreuungsplätze für unter-dreijährige Kinder: Im Jahr 2013 wird der Bund einmalig 580,5 Mio. Euro zum Ausbau zusätzlicher Krippenplätze bereit stellen. Zudem wird der Bund, ebenfalls ab 2013, weitere 75 Mio. Euro jährlich für Betriebskosten an die Länder zahlen. Grundsätzlich ist diese Maßnahme als dringend notwendig zu begrüßen, ihre Wirkung wird sich jedoch aus zwei Gründen in Grenzen halten. Erstens sind die zusätzlichen Fördermittel für den Kita-Ausbau an die gleichen Förderbedin-gungen gebunden wie die bisherigen Fördermittel nach dem Kinderförderungsgesetz (Ki-föG). Daher haben vor allem finanzschwache Kommunen Probleme diese Mittel abzurufen, da sie den notwendigen Eigenanteil nicht aufbringen können. Schon vor den Verhandlungen um den Fiskalvertrag hat das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in seinem zehn Punkte Programm zinsgünstige KfW-Kredite an Kommunen in Aussicht gestellt, damit die bereits vorhandenen Fördermittel vollständig abgerufen werden.
Zweitens sind weder ausreichend Fachkräfte vorhanden noch könnten die Kindertagesein-richtungen in der Geschwindigkeit geplant, genehmigt und gebaut werden, in der die För-dermittel verfügbar sind. Zur Lösung dieser Probleme wurde ebenfalls bereits vor den Ver-handlungen zum Fiskalvertrag Maßnahmen des BMFSFJ angekündigt.

5. Entflechtungsgesetz: Im Herbst soll erneut über die Höhe der von 2014 – 2019 vom Bund zu zahlenden Kompensationen für den Wegfall der Finanzhilfen zur Verbesserung der Ver-kehrsverhältnisse der Gemeinden nach Artikel 143c Grundgesetz verhandelt werden (Ent-flechtungsgesetz). Zusätzliche Finanzmittel wurden bisher nicht in Aussicht gestellt. Wann das entsprechende Leistungsgesetz verabschiedet werden könnte, ist ebenfalls unklar.

6. Mitbestimmung der Kommunen im Stabilitätsrat: Der Stabilitätsrat ist das Gremium, das die Einhaltung des Fiskalvertrages in Deutschland überwacht. In diesem Rahmen kann er bei einer Verletzung des Fiskalvertrages den betroffenen Gebietskörperschaften Vorgaben zur Konsolidierung ihrer Haushalte auferlegen. Der Stabilitätsrat setzt sich aus den Finanz-ministerInnen der Länder, dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie zusammen. Obwohl der Stabilitätsrat in Zukunft – im Gegensatz zu den Regelungen der sog. Schuldenbremse – den Kommunen Auflagen für ihre Konsoli-dierung erteilen kann, wird den kommunalen Spitzenverbänden kein Sitz im Stabilitätsrat zugesprochen. Sie dürfen in Zukunft lediglich beratend an den Sitzungen teilnehmen.

Insgesamt zeigt sich, dass das zwischen Bund und Ländern ausgehandelte Ergebnis der angespannten finanziellen Situation der Kommunen nicht Rechnung trägt. Stattdessen ist im Rahmen der Defizitüberwachung durch den Stabilitätsrat ein massiver Eingriff in die verfas-sungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung der Kommunen zu erwarten.
Politik, die die prekäre Situation der kommunalen Haushalte erkennt und ihr entgegenwirkt, sieht anders aus. Ein UmSteuern für zukunftsfähige Kommunen erfordert zusätzliche finan-zielle Mittel, um die wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben vor Ort angehen zu können.

Weitere Informationen zum Fiskalvertrag findet ihr unter:
http://www.linksfraktion.de/themen/fiskalpakt/

Die Gründe, weswegen wir dem Fiskalvertrag nicht zustimmen können, findet ihr un-ter:
http://www.die-linke.de/index.php?id=55&tx_ttnews[tt_news]=18499&tx_ttnews[backPid]=9&no_cache=1

Dr. Axel Troost, Mitglied des Deutschen Bundestages
Finanzpolitischer Sprecher, DIE LINKE.

Katrin Kunert, Mitglied des Deutschen Bundestages
kommunalpolitische Sprecherin, DIE LINKE

 

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