Do

08

Nov

2012

"Die meisten Hartz IV Bescheide sind fehlerhaft!"

Stadtratsfraktion DIE LINKE./BfBB bekräftigt Gesprächsbereitschaft mit den Jobcentern.  

Anlässlich der Berichterstattung und der Kritik zum Begleitangebot für Hartz IV Empfänger durch die Partei DIE LINKE. Bergisch Gladbach, meldet sich Tomás M. Santillán, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE./BfBB im Rat der Stadt Bergisch Gladbach zu Wort. 
„Das Angebot Menschen zum Jobcenter oder anderen Ämtern zu begleiten, bieten wir im Rahmen unserer Bürgersprechstunde an. Viele Menschen nehmen dieses Angebot gerne wahr und alle machen gute Erfahrungen damit. Das gilt für die Betroffenen genauso wie für die Kunden- und Sachbearbeiter vor Ort. Viele Betroffenen, die wir begleiten, sagen, dass es beim letzten Besuch im Jobcenter viel unfreundlicher war.“, meint Tomás Santillán. „Ziel unserer Begleitung ist es immer, Streit zu vermeiden, die Gespräche zu strukturieren und den Betroffenen zu helfen. Fast immer gelingt es einen Weg zu finden, mit dem alle zufrieden sind. Und nur das zählt!“ ... weiterlesen >

Michael Schulte, Geschäftsführer des Jobcenter Rhein-Berg, begrüßt Begleitungen grundsätzlich, in der Ausgabe der Bergischen Landeszeitung vom Mittwoch, 7.11.2012.  „Ich freue mich, dass die Geschäftsführung des Jobcenter unser Angebot positiv  sieht. Offensichtlich hat Herr Schulte verstanden, was wir mit diesem Angebot wollen. Dagegen haben Junge Union und andere, die unseren Begleitdienst kritisieren, offensichtlich keinen Schimmer davon, was in den Jobcentern los ist und wie es den betroffenen Menschen in ihrer Notlage geht.“ Tomás Santillán weist die Forderung zurück, die Information zum Begleitdienst aus dem Internet zu löschen oder zu ändern. Dazu gibt es für ihn keinen Anlass. „Die meisten Kunden der Jobcenter regeln ihre Sachen selbst und kommen auch gut ohne Begleitung klar. Unser Angebot richtet sich an diejenigen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dabei sind Nötigungen auf der Tagesordnung.“  

Dazu nennt Santillan Beispiele: Viele Antragssteller werden nicht richtig über die „Eingliederungs-vereinbarung“ informiert. Dieses ist ein gegenseitiger Vertrag zwischen dem Jobcenter und den Hilfesuchenden. Man muss die Eingliederungsvereinbarung nicht sofort unterschreiben, denn auch hier gilt die Vertragsfreiheit und man hat natürlich das Recht, diese mitzunehmen und in aller Ruhe zu überdenken. Darüber wird aber nicht informiert, sondern es wird meist so dargestellt, dass man sofort unterschreiben müsste. Dieses  wird als Nötigung empfunden.

Ein zweites Beispiel sind unangekündigte Besuche durch Außendienstmitarbeiter, die vor der Tür stehen und damit drohen, dass es Ärger mit dem Jobcenter gibt, wenn sie nicht in die Wohnung eingelassen werden. Danach werden die Privaträume und Schränke durchsucht, als wäre man ein Krimineller. Die Privatsphäre der Wohnung wird durch das Grundgesetz geschützt und das kann auch das Jobcenter nicht aushebeln. Tatsächlich muss man niemand in seine Privaträume einlassen, solange kein Gerichtsbeschluss vorliegt. Darauf haben die Jobcenter keinen Anspruch und trotzdem geschieht es.

 

„Die Kosten der Unterkunft sind häufig fehlerhaft berechnet, auch weil das neueste Gerichtsurteil in den Bescheiden nicht berücksichtigt wird.„

Besonders häufig sind die falschen oder ungerechten Berechnungen bei den Kosten der Unterkunft. So müssen viele Kunden einen Teil ihrer Miete und Nebenkosten aus dem Bedarfssatz bestreiten, mit dem sie eigentlich Lebensmittel oder Kleidung bezahlen sollen. Nicht selten haben Hilfesuchende am 25sten des Monats kein Geld mehr um sich etwas Warmes zu Essen zu machen oder sie schalten im Winter die Heizung ab, um die Nebenkosten zu senken, die vom Jobcenter nicht vollständig bezahlt werden. In einer solchen Situation werden manche Kunden dazu gezwungen umzuziehen und man droht ihnen mit weiterer Kürzung der Leistung.  

Tomás Santillán hält an der Aussage fest, dass die meisten Bescheide aus den Jobcentern fehlerhaft oder falsch sind: „Die meisten Menschen überprüfen ihre Bescheide nicht und sind in ihrer Not froh, dass sie überhaupt etwas bekommen, um im Alltag über die Runden zu kommen. So haben Stichproben des Landesrechnungshof in Thüringen ergeben, dass 78% der dortigen Bescheide fehlerhaft  waren.“ Dabei handelt es sich vor allem um Mängel, die im Zusammenhang mit Mieten und den Nebenkosten für Wohnraum (Kosten der Unterkunft) stehen. Hier müssten die Leistungen bei Angemessenheit eigentlich voll verauslagt werden. Dies geschieht aber auch im Rheinisch-Bergischen Kreis nicht immer. Stattdessen orientiert man sich an der Höchstgrenze der Richtlinie des Rheinisch-Bergischen Kreises, ohne den Einzelfall zu prüfen.

„Im Zweifelsfall wird eher zu Ungunsten des Antragsstellers beschieden, um Geld einzusparen. Nur so sind z.B. die unfairen Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft im Rheinisch-Bergischen Kreis zu erklären, welche insgesamt von viel zu niedrigen ortsüblichen Mieten ausgeht und die gestiegenen Energiekosten und damit verbundenen hohen Nebenkosten in günstigen Altbauwohnungen nicht berücksichtigt. Mit diesen viel zu niedrigen Ansätzen will der Rheinisch-Bergische Kreis auf Kosten von Menschen in Notlagen seine eigenen Ausgaben und Haushalt schonen. Hier werden viele Bescheide erteilt, die eigentlich nicht der Rechtslage oder den tatsächlichen Bedingungen entsprechen.“ 

Hinzutritt, dass nach dem Urteil des Bundesozialgerichts vom 16.5.2012 zu den Kosten der Unterkunft klar ist, dass massenweise Bescheide falsch sind, denn sie gehen von einer kleineren Wohnfläche aus, die angemessen sei. Die Bescheide werden nicht automatisch neu berechnet, sondern weiter so beschieden ohne dass sie überprüft werden. Die betroffenen Kunden müssen beim Jobcenter einen Antrag auf Überprüfung stellen. Dies tun aber nur sehr wenige. 

Auch werden rechtmäßige Leistungen häufig nur durch Druck der Betroffenen bewilligt. Die meisten Hartz IV Bezieher wehren sich zudem aus Unkenntnis nicht gegen einen falschen Bescheid. DIE LINKE./BfBB bietet an, die Bescheide in der Bürgersprechstunde zu überprüfen.Tomás Santillán begrüßt ein Gespräch mit der Geschäftsführung des Jobcenter. „Wir haben dieses Gespräch dem Jobcenter angeboten, weil es uns darum geht, die Situation in den Jobcentern für alle zu verbessern und den Menschen in Notlage zu ihrem guten Recht zu verhelfen. Sicher ist dies auch das Interesse der Jobcenter.
Wir werden unsere konkrete Kritik vortragen und konstruktive Vorschläge machen, die den Betroffenen, aber auch den dortigen Mitarbeitern nutzen sollen.“

 

Infos zurm Begleitdienst "Wir gehen mit!" hier. >>

 

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